Ein starkes Zeichen für gesellschaftliches Engagement
Der Alaunpark in Dresden-Neustadt war am 4. Juni 2025 Schauplatz einer besonderen Demonstration. Hunderte junge Menschen, die ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) oder den Bundesfreiwilligendienst absolvieren, versammelten sich mit ihren Trägern, um auf die Situation der Freiwilligendienste in Sachsen aufmerksam zu machen. Mit Musik, Redebeiträgen und bunten Aktionen setzten sie ein deutliches Zeichen für die Zukunft des ehrenamtlichen Engagements.
Freiwilligendienste: Engagement mit Hindernissen
Freiwilligendienste sind eine wichtige Säule des gesellschaftlichen Zusammenhalts. Meist nach dem Schulabschluss engagieren sich junge Menschen für ein Jahr in sozialen, kulturellen oder ökologischen Bereichen. Sie arbeiten in Kindergärten, Pflegeheimen, Theatern, Umweltprojekten oder unterstützen Menschen mit Behinderungen. Dabei sammeln sie erste Arbeitserfahrungen, übernehmen gesellschaftliche Verantwortung und entwickeln oft eine klarere Vorstellung ihrer beruflichen Zukunft.
Doch die aktuelle Situation bringt viele Herausforderungen mit sich. Das gesetzlich festgelegte Mindesttaschengeld beträgt lediglich 350 Euro monatlich bei einer regulären 35-Stunden-Woche. Für viele junge Menschen, besonders aus finanziell schwächeren Familien, wird dadurch der Zugang zu Freiwilligendiensten erheblich erschwert oder ganz verwehrt.
Zentrale Forderungen der Demonstranten
Der Landessprecherrat der Freiwilligendienstleistenden Sachsen hatte zu dem Aktionstag aufgerufen und brachte konkrete Forderungen vor:
Höhere Vergütung: Statt der aktuellen 350 Euro monatlich fordern die Freiwilligen eine Vergütung auf dem Niveau des BAföG-Höchstsatzes. Dies würde eine echte finanzielle Unabhängigkeit ermöglichen und den Freiwilligendienst für alle sozialen Schichten zugänglich machen.
Bessere Rahmenbedingungen: Neben der finanziellen Ausstattung geht es auch um verbesserte Arbeits- und Lernbedingungen während des Dienstes. Qualifizierte Begleitung und sinnvolle Weiterbildungsmöglichkeiten sollen gestärkt werden.
Gesellschaftliche Anerkennung: Die Freiwilligen wünschen sich eine höhere Wertschätzung ihrer Arbeit sowohl von politischer Seite als auch in der Öffentlichkeit.
"Wir wollen einfach nur leben können"
Landessprecherin Katharina Kästner brachte die Problematik während ihrer Rede auf den Punkt: "Wir wollen einfach nur von unserer Arbeit eigenständig leben können und ändern, dass Geld eine Hürde zwischen aktiven jungen Menschen und dem Freiwilligendienst bleibt."
Diese Aussage trifft den Kern eines gesellschaftlichen Dilemmas: Während die Gesellschaft dringend auf das Engagement junger Menschen angewiesen ist, werden diese nicht ausreichend unterstützt. Besonders für junge Menschen, deren Eltern sie nicht finanziell während des Freiwilligendienstes unterstützen können, wird das Engagement zu einem Luxus, den sie sich schlicht nicht leisten können.
Freiwilligkeit als Stärke, nicht als Schwäche
Trotz aller Kritik an den Rahmenbedingungen betonten die Teilnehmenden die positiven Aspekte ihrer Arbeit. Der Freiwilligendienst ermöglicht es jungen Menschen:
- Erste praktische Arbeitserfahrungen in verschiedenen Bereichen zu sammeln
- Gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen und einen direkten Beitrag zum Gemeinwohl zu leisten
- Kontakte zu Gleichgesinnten zu knüpfen und wertvolle Netzwerke aufzubauen
- Sich beruflich zu orientieren und Stärken sowie Interessen zu entdecken
- Persönlichkeit und Selbstvertrauen zu entwickeln
Die Freiwilligkeit bleibt dabei ein zentraler Antrieb. Es geht nicht darum, junge Menschen zur Arbeit zu zwingen, sondern ihnen die Möglichkeit zu geben, sich aus eigenem Antrieb gesellschaftlich einzubringen.
Gesellschaftlicher Nutzen der Freiwilligendienste
Die volkswirtschaftliche Bedeutung der Freiwilligendienste ist immens. Allein in Sachsen sind tausende junge Menschen in verschiedenen Bereichen tätig und leisten einen unschätzbaren Beitrag zur sozialen Infrastruktur. Sie unterstützen überlastete Einrichtungen, bringen frische Ideen ein und bauen Brücken zwischen den Generationen.
Besonders in Zeiten des demografischen Wandels und des Fachkräftemangels in sozialen Berufen werden Freiwilligendienste immer wichtiger. Viele ehemalige Freiwillige entscheiden sich anschließend für eine Ausbildung oder ein Studium in dem Bereich, in dem sie ihren Dienst geleistet haben.
Alaunpark als Symbol für Bürgerbeteiligung
Die Wahl des Alaunparks als Veranstaltungsort war kein Zufall. Der Park gilt als wichtiger Lebensort in der Neustadt und ist traditionell ein Ort für gesellschaftliche Aktivitäten und politische Meinungsäußerung. Hier finden regelmäßig Demonstrationen, Kulturfeste und Bürgerinitiativen statt.
Mit seiner zentralen Lage in der Äußeren Neustadt, dem kreativen Herzen Dresdens, bot der Alaunpark die perfekte Bühne für die Anliegen der Freiwilligen. Die grüne Oase zwischen den dicht bebauten Straßen symbolisiert dabei auch den Freiraum, den junge Menschen für ihr gesellschaftliches Engagement benötigen.
Politik in der Verantwortung
Der Aktionstag richtete sich nicht nur an die Öffentlichkeit, sondern auch an politische Entscheidungsträger auf Landes- und Bundesebene. Die Finanzierung der Freiwilligendienste ist eine gemeinsame Aufgabe von Bund, Ländern und Trägern. Während die Träger oft am Limit arbeiten, sind strukturelle Verbesserungen nur durch politische Reformen möglich.
Die Forderung nach einer Anhebung des Taschengeldes auf BAföG-Niveau würde bedeuten, dass Freiwillige monatlich etwa 650-700 Euro erhalten würden. Dies wäre ein wichtiger Schritt hin zu mehr sozialer Gerechtigkeit und würde den Freiwilligendienst für alle jungen Menschen unabhängig von ihrer sozialen Herkunft zugänglich machen.
Vielfalt der Freiwilligendienste in Sachsen
Sachsen bietet eine beeindruckende Vielfalt an Freiwilligendienstmöglichkeiten. Neben dem klassischen FSJ gibt es:
- FSJ Kultur: Einsätze in Theatern, Museen, Bibliotheken und anderen kulturellen Einrichtungen
- FSJ Sport: Engagement in Sportvereinen und bei Sportveranstaltungen
- FSJ Politik: Mitarbeit in politischen Institutionen und Bildungseinrichtungen
- Freiwilliges Ökologisches Jahr (FÖJ): Umwelt- und Naturschutzprojekte
- Bundesfreiwilligendienst: Offener für alle Altersgruppen
- Freiwilligendienst aller Generationen: Flexiblere Zeiteinteilung für berufstätige oder ältere Menschen
Diese Vielfalt zeigt, wie breit das Spektrum gesellschaftlichen Engagements ist und wie wichtig es ist, junge Menschen für diese Bereiche zu begeistern.
Ausblick: "Mit Herz, nicht mit Zwang"
Das Motto des Aktionstags "Mit Herz. Nicht mit Zwang – Freiwilligendienste stärken" fasst die Kernbotschaft perfekt zusammen. Es geht nicht darum, junge Menschen zu verpflichten, sondern ihnen die Rahmenbedingungen zu schaffen, damit sie sich freiwillig und mit Begeisterung engagieren können.
Der Aktionstag im Alaunpark war ein wichtiges Signal an Politik und Gesellschaft. Die Freiwilligen haben gezeigt, dass sie bereit sind, Verantwortung zu übernehmen und sich für das Gemeinwohl einzusetzen. Jetzt liegt es an der Politik, die entsprechenden Rahmenbedingungen zu schaffen.
Denn eines ist klar: Eine Gesellschaft, die auf das Engagement ihrer jungen Menschen angewiesen ist, muss auch bereit sein, in dieses Engagement zu investieren. Der Freiwilligendienst darf nicht zu einem Privileg für diejenigen werden, die es sich finanziell leisten können. Nur so kann das wertvolle gesellschaftliche Engagement auch in Zukunft "mit Herz, nicht mit Zwang" erfolgen.
Weiterführende Informationen
Interessierte können sich über verschiedene Freiwilligendienstmöglichkeiten informieren:
- Beim Jugendinfodienst Dresden: Umfassende Beratung zu allen Freiwilligendienstformen
- Bei der Fachstelle Freiwilligendienste Sachsen: Landesweite Koordination und Information
- Auf der städtischen Website Dresden: Aktuelle Übersicht zu Versammlungen und Veranstaltungen
Der nächste große Test für die Forderungen der Freiwilligen wird die politische Umsetzung sein. Bis dahin engagieren sich täglich hunderte junge Menschen in Sachsen – mit Herz, für die Gesellschaft, für eine bessere Zukunft.
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