Carolabrücke Dresden: Zwischen Abriss und Neubau-Streit - Die Zukunft der wichtigsten Elbquerung

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Von: Admin | Veröffentlicht: 07.06.2025 11:34 | Aufrufe: 31
Die Dresdner Carolabrücke steht vor dem endgültigen Abriss: Nach dem Teileinsturz im September 2024 beginnt nun mit der innovativen Fallbett-Technologie der Abbruch der verbliebenen Brückenzüge A und B. Parallel entbrennt ein heftiger politischer Streit über den Neubau: Während die Stadtverwaltung einen schnellen Ersatzneubau bevorzugt, fordern Opposition und Bürgerinitiativen eine historisch inspirierte Brücke nach dem Vorbild der Königin-Carola-Brücke von 1895. Die Kosten für den Abriss belaufen sich auf 17 Millionen Euro, die Elbe bleibt bis Jahresende 2025 für die Schifffahrt gesperrt.

Der spektakuläre Abriss: Fallbett-Technologie als Lösung

Elbe seit Anfang Juni komplett gesperrt

Seit Mittwoch, dem 4. Juni 2025, ist die Elbe im Bereich der Carolabrücke für die Schifffahrt vollständig gesperrt. Der Grund: Die aufwendigen Abrissarbeiten an den einsturzgefährdeten Brückenzügen A und B haben begonnen.

Von Ponton-Methode zu Fallbett-Technologie

Die ursprünglichen Pläne mussten völlig umgeworfen werden. Dresden verwarf die ursprünglich geplante Ponton-Methode, nachdem Prüfingenieure aus Hamburg feststellten, dass der Elbgrund so beschädigt ist, dass die Pontons nicht sicher stehen würden.

Thomas Alscher, Geschäftsführer des beauftragten Bauunternehmens Hentschke Bau, erklärte: "Wir wollten schon die Anfahrt der Pontons beauftragen", doch die Gefahr des Kippens war zu groß.

Die innovative Fallbett-Lösung

Die nun gewählte Abrissmethode ist spektakulär: Für das Fallbett schüttet die Firma Hentschke Bau 13.000 Tonnen Material auf: Wasserbausteine, Leerrohre und Sand. Spezielle Rohre leiten die Elbe durch das Bauwerk. Das Brückenteil wird dann kontrolliert abgelassen und zerkleinert.

Elf Methoden geprüft - Sprengung verworfen

Insgesamt hatte die Stadt elf Abrissmethoden geprüft. Auch eine Sprengung stand bis zuletzt zur Debatte. Doch die siebenwöchige Vorbereitungszeit hätte den Zeitplan gesprengt. Alle Brückenteile hätten angebohrt und mit Sprengladungen versehen werden müssen.

Zeitplan und Kosten des Abrisses

17 Millionen Euro für den Abriss

Der Abriss soll etwa 17 Millionen Euro kosten. "Bis Jahresende ist der Abriss komplett fertig", versichert Baubürgermeister Stephan Kühn. "In der Adventszeit kann das Terrassenufer wieder genutzt werden".

Arbeiten in drei Phasen

Für die Arbeiten sind acht Wochen angesetzt, anschließend soll die Schifffahrtsrinne innerhalb von zwei Wochen wiederhergestellt werden. Nach dem Mittelteil folgen die Abbrucharbeiten über dem Terrassenufer und auf der Neustädter Seite.

Die Bauarbeiten sind so geplant, dass die beliebten Filmnächte am Elbufer nicht gestört werden.

Der politische Streit um den Neubau

Ersatzneubau versus Planfeststellungsverfahren

Der eigentliche Konflikt tobt um die Zukunft der Brücke. Es geht um die Frage: Mit moderaten Änderungen als Ersatzneubau – das würde am schnellsten gehen – oder mit mehr Gestaltungsspielräumen in einem Planfeststellungsverfahren, was zusätzlich drei bis sechs Jahre in Anspruch nehmen würde?

Stadtverwaltung will schnellen Ersatzneubau

Oberbürgermeister Dirk Hilbert argumentiert: "Wir brauchen die Carolabrücke in Dresden. Nun geht es darum, sich auf einen Prozess zu einigen, mit dem wir möglichst schnell die Brückenverbindung wiederherstellen".

Baubürgermeister Stephan Kühn ergänzt: "Wir dürfen beim Neubau der Carolabrücke nicht nur von Brückenkopf zu Brückenkopf denken. Die Brücke wird bis ins nächste Jahrhundert das Stadtbild prägen".

Heftige Opposition im Stadtrat

Der Eklat ist perfekt - nach einer viereinhalbstündigen, ergebnislosen Diskussion vertagte sich der Bauausschuss am späten Abend. Die Positionen reichen von einer autofreien Brücke bis hin zu vier KfZ-Spuren.

Die CDU-Stadtratsfraktion positioniert sich klar: "Wir brauchen die Brücke schnell und leistungsfähig – und das für alle Verkehrsteilnehmer. Baubürgermeister Stephan Kühn verschleppt hingegen die Entscheidung zum Neubau über Monate".

Interfraktioneller Antrag für Bürgerbeteiligung

CDU, FDP/Freie Bürger und Zastrow haben einen vierseitigen Antrag eingereicht, der für einen Wettbewerb ausgewählter Fachleute, echte Mitsprache des Stadtrates und eine Planung wirbt, die die Ziele der Stadt vorgibt, aber nicht schon die technische Lösung festschreibt.

Bürgerinitiativen fordern historische Gestaltung

Initiative Carolabrücke präsentiert neuen Entwurf

Die "Initiative Carolabrücke" legt einen neuen Entwurf vor und zeigt, wie sich auch ohne zusätzliche Strompfeiler eine historisch inspirierte Optik erzielen lässt.

Die Initiative fordert:

  • Die Planungsbüros zu verpflichten, je zwei Gestaltungsvarianten zu entwerfen, darunter eine, die sich an die Ästhetik der originalen Carolabrücke von 1895 anlehnt
  • Das Wettbewerbsverfahren mit weitreichenden Einflussrechten des Stadtrates und unter Bürgerbeteiligung abzuhalten

Bürgerrat unterstützt Bürgerbeteiligung

Der "Bürgerrat für die Stadt Dresden" hat im Mai gefordert, dass die Dresdner über "das Aussehen der Brücke mitbestimmen können". Unter dem Motto "Friedensstadt Dresden" heißt es, die "demokratische Aushandlung und Identifikation mit dem städtischen Bau" sei wichtig für ein friedliches Zusammenleben.

Gesellschaft Historischer Neumarkt warnt vor Überbreite

Die Gesellschaft Historischer Neumarkt Dresden (GHND) hat Probleme mit einer vierspurigen Brücke, weil diese nach heutigen Vorgaben mit 39 Metern sieben Meter breiter wäre als ursprünglich. Damit wäre ein Wiederaufbau des Venezianischen Hauses faktisch nicht mehr möglich.

Verkehrliche Auswirkungen und Umfahrungen

30.000 Fahrzeuge täglich betroffen

Der Wegfall dieser wichtigen Elbquerung, die mit 30.000 Fahrzeugpassagen pro Tag eine immanent wichtige Verkehrsader darstellt, beeinträchtigt massiv die Mobilität in der Landeshauptstadt.

Wirtschaft fordert schnelle Lösung

Industrie- und Handelskammer Dresden und Handwerkskammer Dresden haben sich mit einem Offenen Brief an Stadtverwaltung und Stadtrat gewandt und fordern, dass der Neubau 2026 beginnen muss.

Fernwärme-Provisorium als Kollateralschaden

Ein oft übersehener Aspekt: Aufgrund des Ausfalls der Fernheiztrasse in Zug C der Carolabrücke, die etwa ein Viertel der gesamten Fernwärmelast Dresdens transportieren konnte, war das Netz in der Dresdner Neustadt mit etwa 36.000 Haushalten und zwei Krankenhäusern nur eingeschränkt belieferbar.

Als temporärer Ersatz wurde auf der Augustusbrücke eine Doppelrohrbahn verlegt - ein sichtbares Zeichen der Notsituation.

Die rechtlichen Rahmenbedingungen

Ersatzneubau rechtlich möglich

Ein umfangreiches Rechtsgutachten stellte dar, welche Anpassungen an der Brücke ohne ein umfangreiches Planfeststellungsverfahren möglich sind. Das betrifft beispielsweise Änderungen wie Anpassungen an aktuelle Regelwerke, Standards, Sicherheits- und Verkehrsbedürfnisse.

Strompfeiler-Genehmigung als Präzedenzfall

Um nach dem Abriss die eingestürzte Brücke nachbauen zu können, hat die Stadtverwaltung eine Sondergenehmigung für einen neuen Strompfeiler beantragt. Diese wurde als "individuelle Lösung" erteilt, und zwar "abweichend vom Erlass".

Zeitplan für Entscheidungen

Stadtratsbeschluss vor Sommerpause erwartet

Der Stadtrat soll noch vor der Sommerpause eine Grundsatzentscheidung treffen. Ein Begleitgremium, zusammengesetzt aus Stadtrat, Vertretern des Freistaats sowie verschiedener Interessengruppen soll zukünftig an alle wesentlichen Schritte beteiligt werden.

Bürgerbeteiligung geplant

Zur Gestaltung der Brücke ist auch eine Einbindung der Dresdnerinnen und Dresdner vorgesehen. Die Planungs- und Bauleistungen für dieses Großvorhaben sind europaweit auszuschreiben.

Fazit: Ein Symbol für Dresdens Zukunft

Die Carolabrücke ist mehr als nur eine Verkehrsverbindung - sie ist zum Symbol für die Zukunft Dresdens geworden. Der Streit um ihre Gestaltung spiegelt fundamentale Fragen wider: Wie viel Verkehr soll durch die Innenstadt fließen? Wie wichtig ist historische Authentizität gegenüber moderner Funktionalität? Und wie können Bürger an wichtigen stadtgestalterischen Entscheidungen partizipieren?

Schifffahrtsexperten kritisieren bereits, dass durch die mehrfachen Planänderungen viel wertvolle Zeit verloren gegangen ist. Dieser Zeitverlust macht deutlich, wie wichtig eine schnelle, aber dennoch durchdachte Entscheidung ist.

Die kommenden Wochen werden zeigen, ob Dresden den Spagat zwischen Geschwindigkeit und Bürgerbeteiligung, zwischen Funktionalität und Ästhetik schafft. Eins ist sicher: Die neue Carolabrücke wird das Stadtbild für Jahrzehnte prägen - und verdient daher eine Lösung, hinter der sich möglichst viele Dresdner versammeln können.

Aktuelle Termine:

  • Abrissarbeiten: Bis Ende 2025 abgeschlossen
  • Stadtratsentscheidung: Vor der Sommerpause 2025
  • Neubaubeginn: Frühestens 2026
  • Fertigstellung: Voraussichtlich 2030-2032

💬 Kommentare (1)

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EinDresdner
07.06.2025 12:36
Das leidige Thema Brücke hier Brücke da.

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